Interview mit Saitō Kōhei

Saitō Kōhei ist ein japanischer Philosoph und Wissenschaftler, geboren am 31. Januar 1987 in Tokio. Nach einer kurzen Zeit an der Universität Tokyo setzte er sein Studium in den USA an der Wesleyan University fort und promovierte anschließend in Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist derzeit außerordentlicher Professor an der Universität Tokio und bekannt für seine ökologische Neuinterpretation des Denkens von Karl Marx. Sein Buch Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus (japanisches Original 2020) verkaufte sich in Japan über 500.000 Mal und trug dazu bei, das Interesse am Marxismus im Kontext der Klimakrise zu erneuern. Saito erhielt 2018 den Deutscher Memorial Prize und 2020 den JSPS Prize für seinen Beitrag zur marxistischen Forschung.
Systemsturz ist ein wirtschaftspolitischer Essay, der die globale ökologische Krise durch eine radikale Neuinterpretation des Marxschen Denkens angeht und eine Alternative zum Kapitalismus vorschlägt, um das Anthropozän zu bewältigen – jenes geologischen Zeitalters, das durch die zerstörerischen Auswirkungen des Menschen auf die Erde als Ganze geprägt ist.
Es sind insbesondere die Gemeinsamkeiten in der Analyse der Ursachen für den möglichen/wahrscheinlichen Niedergang der menschlichen Spezies und der Biodiversität auf der Erde, mit der wir verbunden sind, die Saitō Kōhei für die Fondazione Capellino als Gesprächspartner interessant machen.
Der Grund für diesen möglichen/wahrscheinlichen Niedergang liegt in der Unhaltbarkeit unbegrenzten Wirtschaftswachstums, ebenso aber auch in einem sogenannten nachhaltigen Wirtschaften – denn wie sich zeigt, verwandelt sich auch dieses schnell in einen Hebel, der die negativen Auswirkungen noch verstärkt.
Bei den praktischen Lösungsvorschlägen gehen die Wege jedoch auseinander, da Saitō Kōhei die Möglichkeit eines ökologischen und demokratischen Kommunismus sieht, der auf Degrowth als Ausweg setzt. Die Fondazione Capellino verfolgt und praktiziert dagegen die Reintegration Economy – das heißt die Beibehaltung des Marktes, wobei Unternehmensgewinne umfassend und solange wie nötig in die Biodiversität, die die Wirtschaft verbraucht, reinvestiert werden. Das heißt, eine Form wirtschaftlichen Wachstums, das nicht nur verbraucht, sondern “reintegriert”, was es entnimmt: die Generierung also von Dividenden für ein Naturkapital, das allen und dem Leben zukommt, und nicht zur Schaffung von finanziellem Reichtum für wenige dient, der sich schlussendlich nur als ideologischer Mythos unseres Zeitalters darstellt. Die Fondazione Capellino und das Unternehmen Almo Nature, das in ihrem Besitz ist, praktizieren All Profits to the Planet, das heißt eben: die Reintegration Economy.
Saitō präsentiert im Interview mit Pier Giovanni Capellino eine Zusammenfassung der grundlegenden Punkte seines Denkens und seine Vorschläge für eine nachhaltigere Zukunft. Anlass war sein Auftritt im Palazzo Ducale in Genua für die Veranstaltungsreihe „Un elefante in città” (Ein Elefant in der Stadt), organisiert von der Fondazione Capellino und Almo Nature.
Das Interview ist ab Freitag, 13. Juni, auf der Website www.reintegrationeconomy.org verfügbar.